POHL-11
U-Bahn-Bögen + Ateliers + Werkstätten + Jugendtreff + Open-Air-Events

Geschichte

Zur Geschichte: U-Bahn-Viadukt, Linie 1

Die Geschichte unseres heutigen Pohl 11-Gebäudes begann anno 1915, als die Notwendigkeit erkannt wurde, eine Entlastungsstrecke zwischen Gleisdreieck und Nollendorfplatz zu bauen. Am 24. Oktober 1924 wurde diese Verstärkungslinie in Betrieb genommen. Die erste Idee für den Bau war, die im Wege stehenden Häuser abzureißen und die U-Bahn, Linie 1, als Hochbahn durch die Schneise zu leiten.

Doch schließlich fand man die Idee, die Züge direkt durch das Wohnhaus in der Dennewitzstraße 2 fahren zu lassen, attraktiver. Es wurde eine umschlossene Hochbahnrampe gebaut, in der der Tunnel mit den U-Bahngleisen verschwand, stetig abfallend bis zur Kurfürstenstraße unter der Erde. Die dadurch entstandenen ummauerten Viadukte wurden als Lagerräume genutzt. Sie befanden sich am Ende des Jahres 1990 in einem sehr desolaten Zustand.

aus dem Buch: "Zur Eröffnung der direkten Schnellbahnverbindung vom Osten nach dem Wittenbergplatz am 24. Okt. 1926



Abbildungen aus dem Buch: "Zur Eröffnung der direkten Schnellbahnverbindung vom Osten nach dem Wittenbergplatz am 24. Okt. 1926", U-Hochbahngesellschaft, 1926

1997 hat sich der Stadtteilverein Tiergarten dieses städtebaulichen Kuriosums samt dem umgebenden Gelände angenommen, um hier ein soziokulturelles Nutzungskonzept für Handwerker, Künstler, junge und erwachsene Anwohner zu schaffen.
Die vorgefundenen Räumlichkeiten des U-Bahn-Viadukts erstreckten sich, ohne Kellergeschoß, auf etwa 800 qm und befanden sich in sehr schlechtem, nicht nutzbarem Zustand. Der Eigentümer, die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), konnte oder wollte nicht in die bauliche Sanierung investieren.
Zusammen mit dem Kulturamt Tiergarten und dem gemeinnützigen Ausbildungs- und Beschäftigungsträger Combo-Bau wurde die Instandsetzung und Modernisierung zwischen 1999 und 2001 erfolgreich durchgeführt.
Zu den Sanierungsmaßnahmen gehörte die Erneuerung der Elektroanlagen, Einbau von Sanitäranlagen, Einsetzen von neuen Tür- und Fensterelementen, Installation einer Heizungsanlage, Ausbesserung des Außenmauerwerks sowie die Gestaltung der Gartenanlage im Hinterhof. Dort befindet sich auch ein Fassadengemälde, das eine Szene der geteilten Stadt Berlin zeigt (Künstler: John Hummel, 1987).

Nach Ablauf von drei Bauphasen stehen seit 2001 alle 13 U-Bahn-Bögen für offene Jugendfreizeit, Künstler und Handwerker zur Nutzung bereit.
Wie das Gelände seitdem aussieht finden Sie unter Impressionen.




Wer war Ottilie Pohl?

Die Berliner Adressbücher der 1920er und 30er Jahre geben ihr unterschiedliche Titel: Zunächst Witwe, dann Bürogehilfin, dann wieder Witwe, 1927 Magistratsbeamtin, danach nur noch Witwe. Als Widerstandskämpferin stand sie natürlich nicht im Adressbuch.
Zur Welt kam Ottilie Pohl im Jahre 1867 in Schönwalde in der Niederlausitz. Nach ihrer Ausbildung zur "Putzmacherin" ging sie - wahrscheinlich in den 1880er Jahren - nach Berlin. 1893 heiratete sie, die Jüdin, den Nichtjuden Wilhelm Pohl. Zwei Jahre später kam Sohn Fritz, im Jahr 1900 Tochter Gertrud zur Welt. 1915, nach dem Umzug der Familie in die Beusselstraße 43, starb Wilhelm Pohl. Ottilie Pohl war damals Ende 40.
Bereits in der Bismarckzeit hatte Ottilie Levit, wie sie vor ihrer Ehe hieß, sich in dem Arbeiterbildungsverein für Frauen und Mädchen engagiert. In ihrem Wohnviertel in Moabit war sie in der SPD aktiv. Im Ersten Weltkrieg kehrte sie der alten Sozialdemokratie den Rücken und wurde Mitglied der neu gegründeten USPD. Für diese Partei saß sie nach dem Krieg eine Zeit lang in der Berliner Stadtverordnetenversammlung.
 Über die USPD kam sie zur KPD. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten engagierte sie sich in der "Roten Hilfe", einer verbotenen Organisation der KPD, die sich um die Angehörigen inhaftierter Kommunisten kümmerte. Gelegentlich scheint sie in ihrer Wohnung in der Beusselstraße Widerstandskämpfer beherbergt zu haben.
1940 wurde Ottilie Pohl verhaftet, nachdem sie dem KPD-Funktionär Rudolf Hallmeyer ein Quartier bei Bekannten vermittelt hatte. Sie wurde zu einder Haftstrafe von acht Monaten verurteilt, die sie im Frauengefängnis in der Kantstraße absaß.
Am 20. November 1942, wenige Monate nach ihrer Entlassung, wurde Ottilie Pohl zusammen mit 99 anderen Menschen beim 75. "Alterstransport" nach Theresienstadt verschleppt. Dort kam sie im Dezember 1943 ums Leben. Im Adressbuch von 1943 findet sich under dem Eintrag "Beusselstraße 43" keine Ottilie Pohl mehr.

Hubertus Volmer


Eröffnung der renovierten Pohl 11
Volkstanz zur Eröffnung Pohl 11
Volkstanz zur Eröffnung Pohl 11
Kunstausstellung von Birgit Dieker, 1999, in der Pohl 11